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27.10.1938 in Kalkhöfen, Ostpreußen, geboren
Mein Vater war als Soldat in Russland – der wusste, dass der Krieg verloren ist. Da hat er meiner Mutter geschrieben: „Sieh zu, dass du über die Weichsel kommst!“
Unser Heimatort hieß Ribbenau in der Rominter Heide, heute liegt das in Kaliningrad. Wir hatten damals sogar Knechte. Litauen war nicht weit weg von uns, da war immer jemand da, der die Küchenarbeit gemacht hat. Meine Mutter hatte mit drei kleinen Kindern keine Zeit dafür. Ich war bei der Flucht sechs Jahre alt, eine Schwester fünf, die andere vier Jahre.
Mein Vater war als Soldat in Russland – der wusste, dass der Krieg verloren ist. Da hat er meiner Mutter geschrieben: „Sieh zu, dass du über die Weichsel kommst!“ Ihre Schwester und ihr Bruder haben ihr geholfen, alles einzupacken. Meine Mutter hat ihre Nähmaschine, das Bettzeug und einen Bräter mitgenommen, dazu noch einige andere Sachen, die aber im Laufe der Zeit abhandengekommen sind. Ich habe mich damals gewundert, wie schwer das Fluchtgepäck war – es stellte sich heraus, dass es der gusseiserne Bräter war. Wir haben noch ein Schwein geschlachtet, damit wir unterwegs genug zu essen hatten. Am Bahnhof in Wehrkirchen, unserer Kreisstadt, damals Ostpreußen, haben wir Ende 1944 alles, was wir hatten, in einen Zug verladen.
Von dort aus sind wir nach Auerbach im Vogtland gekommen. Als Flüchtlinge haben wir ein Zuhause bei Einheimischen erhalten. Als Dresden damals so schlimm bombardiert wurde, hat sie sich mit uns immer im Graben versteckt, weil die Bomben immer dichter kamen. Wir sahen die Einschläge und die Feuer aus Dresden. Wir sind dann zu Fuß mit dem Handwagen weitergegangen, nach Hause zu den Leuten, wo wir untergekommen waren.
Mein Vater wusste ja, wo wir waren, und kam dann 1945 nach Thüringen in die Nähe von Sömmerda, Orlishausen hieß der Ort. Dort waren zunächst die Amerikaner –Thüringen und weitere Gebiete des späteren Ostdeutschlands wurden ja im Sommer 1945 an die Russen übergeben. Er geriet in amerikanische Gefangenschaft, „entließ“ sich aber selbst. In Orlishausen gab es einen Mühlenbach, durch den er flüchtete und bei einem Bauern unterkam, der ihn mit Essen versorgte. Damit sie ihn nicht erwischen konnten, blieb mein Vater in der Scheune.
„Er trug als Tarnung eine Hacke und einem Blaumann, damit sie ihn nicht erwischten, er hatte ja keine gültigen Ausweispapiere.“
Als die Ernte eingefahren war, bei der mein Vater dem Bauern noch mithalf, lief er drei Tage zu Fuß von Orlishausen zu uns ins Vogtland. Er hatte uns geschrieben und war so in Kontakt mit meiner Mutter. Er trug als Tarnung eine Hacke und einen Blaumann, damit sie ihn nicht erwischten, er hatte ja keine gültigen Ausweispapiere. Die Frau, bei der wir in Auerbach wohnten, war beim Ordnungsamt beschäftigt, sie hat meinem Vater einen provisorischen Ausweis besorgt – so war er erst einmal geschützt. Er organisierte dann einen Pferdefuhrwagen, in den wir die restlichen Dinge, die wir noch hatten, einluden. Dann fuhren wir alle von Auerbach zurück nach Orlishausen zu dem Bauern, dem mein Vater geholfen hatte.
Etwa ein halbes Jahr später sind wir dann ins etwa 40 Kilometer entfernte Rödigsdorf bei Weimar umgezogen. Dort wurden wir mit fünf oder sechs anderen Familien „Neubauern“, wie es damals hieß – wir bekamen ein Gehöft mit Wohnhaus, Scheune und Stall zugewiesen und hatten einen Ochsen und ein Pferd am Wagen. In dem Dorf waren nach dem Krieg noch keine Wasserleitungen – wir hatten das Glück, das wir auch einen Wasserwagen erhielten. Dann begann das Bauernleben. Meine Mutter hat gerne gekocht, wir hatten Gänse und verschiedene andere Sachen. Sie hat aus dem Wenigen, das wir hatten, immer etwas gezaubert.
In meinem Leben bin ich danach durch meinen Beruf im Textilbereich viel herumgekommen, ich habe in England, Italien, Ceylon und Indien gearbeitet. In den sechziger Jahren bin ich dann nach Bad Sooden-Allendorf gekommen und habe dort meine Frau kennengelernt, ihre Eltern führten das Parkcafé. Heimat ist für mich Bad Sooden-Allendorf, ich habe hier 1965 geheiratet und unser Haus gebaut.